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Courant Normal: Zum zweifelhaften Umgang mit Copyright bei Tamedia/Newsnetz
14 Feb 2009

Zum zweifelhaften Umgang mit Copyright bei Tamedia/Newsnetz

UPDATE: Der Tamedia-Sprecher nimmt Stellung zum Bilderklau-Vorwurf. Nicht erst seit der Finanzkrise kämpfen die traditionellen Zeitungsverlage mit sinkenden Werbe- und Inserate-Einnahmen sowie mit der Abwanderung der Leserschaft ins Internet. Der Ausbau des eigenen Online-Angebotes Medienlese: Vom Seriös- zum Boulevard-Verlag gilt derzeit als das Mittel der Wahl, um dem Zerfall ihrer wirtschaftlichen Grundlage zu begegnen.

Das Über-Bord-Werfen journalistischer Standards und die Missachtung von Urheberrechten scheint eine weitere Strategie zu sein, wie das Beispiel des «Newsnetz» Newsnetz beliefert Websites von Tages-Anzeiger, Basler Zeitung, Der Bund und der Berner Zeitung mit Inhalten in ihrem Umgang mit urheberrechtlich geschützten Inhalten zeigt.

Selbstbedienungs-Mentalität bei Video- und Bildmaterial

Bereits Ende letzten Jahres habe ich per Zufall entdeckt, dass sich die Newsnetz-Redaktion einer Fotografie von mir bedient hat, die ich u.a. in der Online-Community «Flickr» veröffentlicht habe (aber gleichzeitig zur kommerziellen Nutzung feilbiete). Umgehend, aber bislang vergeblich, habe ich eine branchenübliche Abgeltung gefordert und den Fall publik gemacht, was in der Folge ein gewisses Echo FotoIntern: Auch Flickr-Bilder sind nicht gratis; Bö: Noch mehr Bilderklau ausgelöst hat.

Auch bei bewegten Bildern zeigt die Newsnetz-Redaktion wenig Skrupel, geschützte Inhalte aus fremder Quelle ungefragt zu verwerten: Vorletzte Woche hat der Medienspiegel Medienspiegel: Newsnetz – schamlos «co-branden» und abkassieren; Neue Zürcher Zeitung: Konflikt um SF-Bildmaterial (und später die NZZ) auf die Praxis der Newsnetz-Portale aufmerksam gemacht, Youtube-Videos und Beiträge des Schweizer Fernsehens bei der redaktionellen Verwertung als Eigenleistungen auszugeben.

Vom Einzelfall zum redaktionellen Modus operandi

Diese neue, aggressive Linie im Umgang mit Copyright scheint jetzt auch voll auf die Bildredaktion durchzuschlagen: In einem kürzlich erschienenen Newsnetz-Artikel «Diese Sehenswürdigkeiten müssen Sie nicht gesehen haben», veröffentlicht auf tagesanzeiger.ch, derbund.ch, bernerzeitung.ch und bazonline.ch wurden nicht weniger als sieben Bilder verschiedener Flickr-Nutzer verwendet – allesamt ohne Wissen und Einwilligung der Urheber, wie eine Recherche gezeigt hat (schriftliche Bestätigungen dieses Sachverhalts liegen vor und sind z.T. hier nachzulesen). Die betroffenen Fotografen haben sich in der Folge zu einer Protestgruppe Petition/Dokumentation unter Newsnetz: Please stop using Flickr pictures without asking zusammengefunden, wo sie die aufgedeckten Fälle dokumentieren und sich gegen dieses Geschäftsgebaren auflehnen.

Da ich bereits in meinem Fall, der nun einige Monate zurückliegt, unverzüglich den Newsnetz-Chefredaktor avisiert habe, muss die Beibehaltung und Ausweitung dieser urheberrechtlichen Raubzüge als von höchster Stelle abgesegnet erachtet werden, und kann nicht länger der unbedarften Fehlleistung einzelner Redakteure zugeschrieben werden, die ihre Texte multimedial aufpeppen möchten.

Abwertung der Fotografie

Diese präzedenzlose Missachtung des Copyrights ist als Kennzeichen eines schleichenden Paradigmenwechsels zu sehen, die den Vertretern einer Institution unwürdig ist, die sich als vierte Gewalt im Staat versteht. Die Plünderung fremder Bildbestände ist nicht nur widerrechtlich und moralisch fragwürdig, sondern unterhöhlt überdies die Existenzgrundlage von Fotojournalisten und anderen professionellen Fotografen, die einer Berufsethik verpflichtet sind, die z.B. bei Flickr-Fotografen nicht per se vorausgesetzt werden kann (z.B. in Bezug auf Bild­nachbearbeitung und -manipulation).

Die Newsnetz-Praxis der Selbstbedienung, zusammen mit dem vermehrten Rückgriff auf «Leserbilder» aus noch zweifelhafterer Quelle, führt somit zur Erosion von Qualitätsstandards jenseits von ästhetischen Kriterien, und zu einer Abwertung der Fotografie als journalistischem Medium.

Es bleibt zu hoffen, dass dieses Negativbeispiel eine singuläre publizistische Entgleisung bleibt – und nicht über den Tamedia-Konzern hinaus Schule macht.

—  Dom Dada, 5521 Tage zuvor

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